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Raimer Jochims – Form folgt der Farbe

Raimer Jochims – Form folgt der Farbe

Februar 10, 2016 10:24 amComments are Disabled

Der Künstler Raimer Jochims gilt als einer der Hauptvertreter der „Radikalen Malerei“. Seine Arbeiten zeichnen sich durch das Zusammenspiel von Farbe und Form aus und folgen dem Prinzip, dass die Form sich an der Farbe orientiert.

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„Radikal“ – Malerei ganz und gar
Die sogenannte „Radikale Malerei“ entwickelt sich Ende der 1980er-Jahre, und ihre Anhänger postulieren, sich ganz der Farbe zu verschreiben – und damit eben auch dem klassischen Medium der Malerei als einem Auftragen von Farbe auf einen Malgrund. Raimer Jochims zählt nicht nur zu den wichtigsten Vertretern dieser Richtung, sondern kann auch als einer ihrer größten Theoretiker angesehen werden. Er studiert unter anderem Kunstgeschichte und promoviert über Konrad Fiedler – den federführenden Kunsttheoretiker des 19. Jahrhunderts. Praktisch beschäftigt er sich bereits seit Mitte der 1950er-Jahre mit Malerei; hierin ist er Autodidakt und übersetzt seine theoretischen Überlegungen in Farbe und Form.

Farbe und Form als Ausdruck des Lebendigen
„Das Leben selbst erfinden“ – so das viel zitierte Credo des Künstlers, das er auch an seine zahlreichen Studenten weitergegeben hat. (Unter anderem hat er über 25 Jahre, von 1971 bis 1997, an der renommierten Frankfurter Städelschule gelehrt.) In die Malerei übersetzt, meint er damit den Weg hin zur Radikalität, zum Ursprünglichen, auch zur Essenz der Kunst.
Die Farben, von ihm in sattem Auftrag auf Hartfaserplatten aufgebracht, bestimmen dabei die Form des Werks. Diese ist nicht mehr länger nur rechteckig, wie es von Tafelbildern vertraut ist, sondern kann die unterschiedlichste Gestalt annehmen. Einmal erinnert sie an Wolken oder Pfützen, ein anderes Mal an Pfeilspitzen, dann wieder an herzförmige Gebilde. Sie ist organisch, scheint lebendig, ebenso wie die Farbe, die sie bedeckt. Vielfach gibt es Ecken, die herausgeschnitten oder herausgebrochen sind, fast wie Öffnungen eines Mundes. Zur Umsetzung bedient sich Jochims einer Kneifzange, mit der er die groben Konturen herausarbeitet, die er anschließend glättet.

Bruch mit den Konventionen des Abstrakten
Jochims bricht in seinen Arbeiten mit unseren Sehgewohnheiten, mit den gängigen Vorstellungen, die von abstrakter Malerei herrschen. Dies geschieht nicht nur durch eben jene Anpassung der Form an die Farbe oder besser, den Aussagegehalt, den er ihr zuschreibt, sondern noch durch ein weiteres Charakteristikum: Jochims setzt seine Arbeiten stets in Bezug zum sie umgebenden Raum. Er überlässt es nie dem Zufall, an welcher Wand, auf welcher Höhe und in welchem Winkel ein Werk platziert wird. Somit erhalten die vermeintlich rein abstrakten Kompositionen eine zusätzliche Bedeutungsebene. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Titel, die Jochims den Werken gibt und die sich vom rein Deskriptiven (etwa „Chromatisches Relief“) vielfach weit entfernen. „Allseits wach“, „Alter Phönix“ oder „Todestag“ sind sicher assoziativ, können irritieren, unterstützen jedoch letztlich das, was der Künstler selbst die „Identität der Farbe“ nennt.